milla’s sisterhood

Endlich geschafft, mich auf den aktuellen Stand zu bringen. Endlich geschafft, Resident Evil: Afterlife zu sehen. Bereits die Auftakszenen erfreuen das Herz, denn man kann Alice (Milla Jovovich) dabei zusehen, wie sie zusammen mit ihren Klon-Schwestern die Zentrale der Umbrella Corp. stürmt. Das geht im ersten Anlauf zwar schief, greift aber immerhin den schönsten Topos der Filmreihe auf: Milla’s sisterhood.

Ich mag Resident Evil, obwohl die Filme keine Meisterwerke sind. Sie sind aber auch nicht so schlecht, als dass sie von Milla Jovovich nicht doch auf ein sehbares Niveau gehoben werden könnten. Das Risiko, dass einem ein subversiver Subtext entgeht, scheint freilich gering. Alles spielt sich mit großem Knall in einem Vordergrund ab, der keinen Hintergrund kennt. Und genau deshalb misstraue ich diesem merkwürdigen Impuls, der mich überkommt, wenn ich Milla auf ihrer Mission beobachte. Der Impuls, immer wieder diese eine Frage zu stellen:

Kann es sein, dass Resident Evil unter all den Explosionen und all dem Martial Arts-Feuerwerk eine – noch dazu spannende – feministische Geschichte erzählt?

Eine (körperlich) starke, kämpfende Heldin, die gleichzeitig witzig, cool und sexy ist – so sah schon immer die Feminismusinterpretation des Actionkinos aus. So weit, so unspektakulär. Die Grundkonstellation von Resident Evil und die Art, wie diese ausbuchstabiert wird, bringen allerdings eine sehr viel interessantere Problematisierung von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen hervor. Im Spannungsfeld von Kapitalismus- und Wissenschaftskritik.

Die konsenskapitalismuskritischen Angriffe auf die Umbrella Corp. aktualisieren klassische, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts etablierte Topoi des corporate capitalism-Diskurses. Die böse Umbrella Corp. ist klassisch männlich konnotiert. Sie repräsentiert keinen kreativen, innovativen, philanthropischen compassionate capitalism, sondern einen brutalen, rücksichtslosen, kalten, vergewaltigenden Testosteronkapitalismus, getrieben von Profit um wirklich jeden Preis.

In eine ähnliche Richtung weist auch die Thematisierung von Wissenschaft und Forschung in Resident Evil. Life sciences und corporate capitalism gehen einen verheerenden Pakt ein. Dabei aktualisieren die Filme jene mad scientist-Tradition, der Andrew Tudor vor einigen Jahren ein kluges Buch gewidmet hat. Der Wissenschaftler stellt sich hier nicht nur bedingungslos in den Dienst eines vollkommen entgrenzten kapitalistischen Profitstrebens, sondern er ist auch und vor allem ein männlicher Wissenschaftler. Sein „assaultive gaze“ (Carol Clover) verweist auf ein obsessives, exzessives, er- und bemächtigendes Wissenwollen, in dem Wissenschaft und Männlichkeit korrelieren.

Innerhalb dieses wissenschaftlich-industriellen Komplexes und gegen ihn agiert Alice. Sie ist gleichzeitig Powerfrau, Actionheldin und High-Tech-Produkt. Ergebnis, Objekt und Herausforderung des „assaultive gaze“. Die Schlussszene des dritten Teils – Resident Evil: Extinction – vollzieht nun jedoch einen Schritt zum kollektiven Handeln, der dem üblichen Actionkinofeminismus eine andere Facette hinzufügt. Nach dem großen Kampf mit dem zum Übermutanten gewordenen Leiter der Umbrellaforschungsabteilung entdeckt Alice eine schier unfassbare Anzahl weiterer Alice-Exemplare, die sie weniger als Klone, denn als Schwestern begreift. Per Videoübertragung schaltet sie sich in eine Vorstandsitzung von Umbrella und kündigt ihr Kommen und damit das Ende der Umtriebe der Corporation an. Allerdings, nicht ihr alleiniges Kommen: „I am coming for you … and I am bringing a few of my friends!“

Die Schwesternschaft, in die Alice sich begibt, ist in diesem Fall sowohl biologisch-familiär konnotiert, als auch ein Verweis auf Massenproduktion und Produktfamilien. Hinzu kommt jedoch, gerade durch die Gegenüberstellung mit den Herren, die Umbrella leiten und für deren Forschungsprogramm verantwortlich sind, ein Hauch feministisch-kollektiven Handelns. Dadurch bricht der Film aus dem bis dahin durchaus angelegten lone ranger-Narrativ aus. Alice ist von nun an mehr als die weibliche Adaption des so typischen männlichen Actionhelden, des Einzelkämpfers auf dem Rachefeldzug.

Resident Evil entgeht darüber hinaus jener Falle, in die der große George Romero 1985 getappt ist, als er in Day of the Dead den Versuch unternahm, Antimilitarismus und Wissenschaftskritik mit einer feministischen Perspektive zu verbinden. Romero bewerkstelligte das nämlich, indem er zwei Modi des Wissen(wollen)s einander gegenüberstellte: ein grenzenloses Strebens nach Gestaltung des Lebens, das zunehmend mit den Insignien des Wahnsinns ausgestattet wird, auf der einen, die hellsichtige Forderung einer Konzentration auf das Wesentliche auf der anderen Seite. Genau hier lag aber das Problem. Romeros Kritik der totalitären Vernunft des Wissenschaftlers resultiert aus der Festlegung der Wissenschaftlerin auf eine emotional-menschliche und zudem praktische (fast möchte ich sagen: „häusliche“) Vernunft. Die Idee eines kollektiven, widerständigen Handelns spielt dabei keine Rolle, und schon gar nicht ist sie etwas, das mit Weiblichkeit assoziiert wird – anders als in Resident Evil.

Die kämpfende sisterhood ist in letzter Instanz vielleicht doch etwas spannender als die Konstituierung einer „weiblichen Vernunft“ – auch wenn George A. Romeros Filme als Filme immer und überall besser sind als es Resident Evil je für sich beanspruchen würde.

2 Kommentare zu „milla’s sisterhood

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