Remakes haben, selbst wenn ihnen sonst nichts gelingt, zumindest den Effekt, dass wieder etwas Aufmerksamkeit auf das ‚Original‘ gelenkt wird. So auch im Fall von And Soon the Darkness.
Wühlt man sich durch das Horrorsubgenre ‚Terror-auf-dem-platten-Land‘, wird man wohl, wie Nils Bothmann in seiner Rezension betont, auf And Soon the Darkness als dessen Nullpunkt stoßen. (Das gilt sicher auch für das noch nicht weiterverfolgte Genre ‚Fahrradurlaub-in-Frankreich‘.)
Nachdem 2011 das amerikanisch-argentinische Remake (Regie: Marcos Efron) in den Kinos lief, wurde der britische Horrorklassiker aus dem Jahr 1970 als DVD nachgeschoben („Erstmals auf DVD – das britische Original“, Kinowelt). Tausend Dank dafür, denn der britische 1970er And Soon the Darkness ist ein grandioser Film. Remake und Original unterscheiden sich visuell erheblich.
And Soon the Darkness (1970) zeigt eindrucksvoll die Klasse des Regisseurs Robert Fuest, der innerhalb der britischen Horrorfilmschule etwas abseits steht – weil er offensichtlich das Genre nicht wie alle anderen interpretierte.
Der britische Horrorfilm der fünfziger bis siebziger Jahre ist untrennbar mit den Hammer Filmstudios verbunden. Die Filme aus dieser Schule – darunter Meisterwerke wie die Karnstein Trilogie oder die berühmten Frankenstein- und Dracula-Neuinterpretationen mit Peter Cushing und Christopher Lee – besplattern durch grelle Farben und explizit-graphische Gewaltdarstellung, die immer ein Hauch Slapstick umweht. Und natürlich bleibt keine auch nur entfernt mögliche Sexszene ungedreht.
Dagegen nun ganz anders Robert Fuest und sein And Soon the Darkness. Fuest präsentiert einen Horrorfilm, der einerseits Anschluss findet an den dokumentarisch-realistischen Stil seiner nordamerikanischen Regiekollegen (George A. Romero, Wes Craven, Tobe Hooper, David Cronenberg und John Carpenter), die zwischen 1968 und 1978 das Genre revolutionierten. Andererseits führt And Soon the Darkness einen reduzierten, transparenten und klaren stijl vor. In bester modernistischer Tradition.
And Soon the Darkness splattert nicht. Im gesamten Film gibt es lediglich zwei explizite Gewaltszenen, lediglich eine davon ist blutig. Spannung und Terror entstehen ausschließlich über die eigentümliche Atmosphäre und das Figurenensemble.
And Soon the Darkness wirkt passagenweise eher photographiert als gefilmt, machmal eher Stillleben als bewegtes Bild. Es dominieren Geradlinigkeit, (Recht-)Winkeligkeit und Flächigkeit. Der Film ist ein starkes Argument dafür, dass visuelle Klarheit und Transparenz einen Terror erzeugen können, der demjenigen visuell verschwurbelter, undurchdringlicher gothic-Gruften und dämonischer Wälder nicht nachsteht. Die Atmosphäre, aus der der Film seinen Schrecken bezieht, ist nicht düster. Immer und überall scheint die Sonne. Den Figuren ist nie und nirgends die Sicht verstellt. Sie halten sich nicht in Kellern, Gewölben oder vorzeitlichen Wäldern auf, sondern bewegen sich auf kurvenlosen Landstraßen, umgeben von überschaubaren Feldern. Selbst der Wald ist eher eine Lichtung, die nur mühsam als Versteck genutzt werden kann.
Uneingeschränkte Sichtbarkeit, besser: Durchsichtigkeit allein sind aber nichts wert, wenn das Gesagte nicht oder nur rudimentär verstanden wird. Der Schrecken des Films speist sich aus der Vestehensunfähigkeit und Sprachverwirrung der Protagonistin: Jane, eine junge Engländerin, die im ländlichen Frankreich Urlaub macht. Ihre Angst und ihre Panik entstehen, weil sie nicht versteht, was die anderen Figuren ihr mitteilen, weil sie auf die Interpretation des Augenscheins angewiesen ist – und dieser sie, natürlich, immer und systematisch trügt, obwohl alles glasklar vor ihren Augen liegt. Jane hat regelmäßig Angst vor den/dem Falschen. Kein Wunder, denn, so schreibt Nils Bothmann sehr präzise in seiner Rezension, die große Stärke des Films beruht auf seinem „hübsch skurrilen Figureninventar“:
„Zwar haben die Charaktere teilweise noch nicht einmal Namen, werden im Abspann nur als Gendarm oder Schulvorsteherin geführt, doch gerade in Verbindung mit der Verschrobenheit der durch den Film geisternden Gestalten verdeutlicht dies die Verwirrung, welche Protagonistin Jane empfindet. Dementsprechend sind die französischsprachigen Passagen nicht untertitelt, damit der Zuschauer sich in die Hauptfigur hineinversetzen kann, welche die Sprache nur mangelhaft beherrscht. Effektiv bebildert And Soon the Darkness das Alleinsein in der Fremde, die Unsicherheit Janes, ob ihre Freundin noch lebt und wem sie überhaupt trauen kann, denn sie hat keinerlei Hinweise auf Identität und Motiv des Entführers.“