In den nächsten zwei Monaten werde ich an dieser Stelle eine kleine Sammlung von Protestsongs seit den sechziger Jahren anlegen. Vielleicht ergeben sich daraus ja eine Typologie und eine Geschichte des Protestsongs, die irgendwie Sinn machen.
Diese Woche:
Country Joe & the Fish’s I-Feel-Like-I’m-Fixin’-to-Die Rag steht wie kein anderer Song für die Synthese von Woodstock Nation und Antivietnamkriegsbewegung. Die Spontanperformance zu Beginn des Woodstock Festivals (um eine Lücke im Lineup zu überbrücken) erlangte schnell ikonischen Status. Es verwundert daher nicht, dass eine der markanten Textzeilen des Songs namensgebend für eine jüngst erschienene, unfassbar gut recherchierte Compilation aus dem Hause Bear Family Records wurde: Next Stop Is Vietnam.
Die Prominenz von I-Feel-Like-I’m-Fixin’-to-Die erzeugt im Nachhinein allerdings den etwas irreführenden Eindruck, als sei die gesamte Rockmusik der Zeit permanent und untrennbar in die Antikriegsbewegung eingebunden gewesen. Das war sie nicht. Entsprechende Stellungnahmen – und erst recht: Songs – gab es zunächst eher punktuell. Es waren wenige, immer wieder dieselben Künstler_innen, die sich auf und neben ihren Bühnen gegen den Krieg aussprachen (Joan Baez, natürlich und in erster Linie). Erst zögerlich nahm das Fahrt auf, und die Woodstock Nation wurde zum Sinnbild für Anti-Vietnamkriegsproteste.
In sarkastischem Tonfall erzählt Country Joe den Krieg passagenweise aus der Perspektive eines beteiligten Soldaten, dann wieder aus der Perspektive eines Kriegsbefürworters, dann wieder in den Worten eines zynisch coolen Kriegserklärers. Country Joes böser Humor kennt kein schlechtes Gewissen, kein kritisches Hinterfragen von irgendwelchen Floskeln. Der Song parodiert eine Es-ist-halt-so-wie-es-ist-machen-wir-das-beste-daraus-Haltung. Whoopee! Wenn man so tut, als machten die hohlen Phrasen, die man allerorten in Bezug auf den Krieg vernehmen konnte, Sinn, dann kann der Krieg sogar Spaß machen:
Come on all of you big strong men
Uncle Sam needs your help again
he’s got himself in a terrible jam
way down yonder in Viet Nam so
put down your books and pick up a gun we’re
gonna have a whole lotta fun(CHORUS)
And it’s one, two, three, what are we fighting for
don’t ask me I don’t give a damn, next stop is Viet Nam
And it’s five, six, seven, open up the pearly gates
ain’t no time to wonder why, whoopee we’re all gonna die
Ein wiederkehrendes Motiv des Songs ist das Ad-Absurdum-Führen jedweder Diskussion, die sich um Sinn und Zweck des Kriegs dreht. Country Joe trifft damit einen sensiblen Punkt: In Regierungskreisen hatte sich nämlich um 1967 die Ansicht festgesetzt, dass die eskalierenden Proteste etwas damit zu tun hätten, dass die Menschen nicht so recht wussten, wofür man eigentlich kämpfe. Entsprechend bemühte sich die Johnson-Administration darum, dem etwas entgegen zu setzen. Ziel und Zweck des Kriegs ließen sich so einfach dann aber doch niemandem erklären, weshalb eine andere PR-Strategie in den Vordergrund rückte: „By making Vietnam ever more a test of will, both the president and his opposition had set the stage for confrontation in 1968. More than will, purpose was at stake, although that fact would be abscured for another half dozen years“ (Charles DeBenedetti).
Der Song greift scheinbar beiläufig einige zentrale Topoi seiner Zeit auf. Das verschafft(e) ihm Resonanz und lässt ihn zu einer spannenden Quelle werden, die preisgibt, welche Themen, Ängste und Überzeugungen in der Antikriegsbeewegung zusammenkamen, aus welchen Quellen sich die Bewegung speiste. Da ist die Angst der Studenten vor der Einberufung – „put down your books and pick up a gun we’re gonna have a whole lotta fun“ -, aber es ist auch der Verweis auf eine sich verselbständigende Generalslogik und einen simpel gestrickten Antikommunismus im Kalten Krieg.
Come on generals, let’s move fast
your big chance has come at last
now you can go out and get those reds
cos the only good commie is the one that’s dead and
you know that peace can only be won when we’ve
blown ‚em all to kingdom come
Dass Joseph „Country Joe“ McDonald selbst aus einer kommunistischen Familie stammte und – dem Vernehmen nach – nach „Uncle Joe“ Stalin benannt wurde, gibt dieser Strophe ihre Brisanz. Der schlichte Antikommunismus, den Country Joe hier parodiert, tobte sich schließlich nicht nur in diesem oder jenem crazy asian war aus, sondern auch zuhause. Gerade in Wahrnehmung und Umgang des Weißen Hauses mit den Gegnern des Vietnamkriegs zeigte sich dieser paranoide Antikommunismus immer wieder. Eine wesentliche Strategie bestand darin, die Antikriegsbewegung in die Nähe von Kommunismus zu rücken, permanent eine kommunistische Unterwanderung zu behaupten – und das, obwohl es selbst der CIA bei bestem Willen nicht gelang, irgendetwas derartiges festzustellen. Gerade Präsident Lyndon B. Johnson fiel es sichtlich schwer anzuerkennen, so Charles DeBenedetti, dass Protest in erster Linie etwas mit dem Krieg selbst zu tun hatte, nicht mit anderen Faktoren, Gründen und Ursachen.
Vielleicht noch eine kleine Bemerkung zum Sound. In der Studioversion ist der Song ein instrumental überladenes, verspieltes Zirkusspektakel, ein klamaukhafter Ragtime, der auch als Soundtrack für einen Slapstickfilm funktionieren würde. Es ist der perfekte Sound, um die Absurdität des Kriegs und aller Sinngebungversuche hörbar zu machen. Die viel berühmtere Live-Version dagegen ist musikalisch drastisch reduziert. Live wird der Song zu einem Lagerfeuermitsingchor: ein wenig Gitarre, ein wenig Mitklatschen usw. Der Song wird ein Gassenhauer, der ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt – und jeder und jedem der Mitsingenden das Gefühl gibt, nicht allein zu sein. Mitsingen selbst wird zu einem politischen Akt. Es markiert nicht nur Protest gegen den Krieg, sondern den bewussten Eintritt in die Woodstock Nation.
Hier dann noch die Studioversion: