In einem gewissen Alter kann man dieses „And I miss youuuuu …“, das Tracey Thorn, die eine Hälfte von Everything But The Girl, 1994 aus allen Radios sang, automatisch ergänzen. Eben. Like The Deserts miss the Rain.
Everything But the Girl – Missing
Ich habe das Bloggen vermisst, ohne es anfangs zu merken. Der letzte Beitrag ist lange her, der blog langsam ein- und fast entschlafen. Mit dem Bloggen fehlte mir auch die schreibende Beschäftigung mit Pop/musik. Das soll sich ändern. Vor allem mag ich regelmäßig über Dinge schreiben, die es zu lesen und zu hören (und manchmal auch zu sehen gibt). Bücher über Pop waren hier schon früher Thema (etwa die Autobiographien von Neil Young oder Alice Bag); und so soll es auch wieder werden.
Gute Bücher über Pop gibt es in England. Jeder Ausflug (wie etwa der Urlaub im September) endet mit einem volleren Koffer und einem Stapel neuer Bücher. Tracey Thorns Autobiographie Bedsit Disco Queen: How I Grew Up and Tried to be a Pop Star (2014) kannte ich nicht und hätte sie also nie gekauft – gäbe es nicht in Bath einen der sicherlich schönsten Buchläden Englands (und darüber hinaus): Mr B’s Emporium of Reading Delights
Es ist ein wundervolles Erlebnis für Pop- und Bookgeeks, wenn eine Buchhändlerin beim Abkassieren den Bücherstapel mustert und daraus blitzschnell folgert, dass ein weiteres Buch einem sehr gut gefallen könnte … und so landete Bedsit Disco Queen dann eben auch auf meinem Stapel.
Bedsit Disco Queen gehört zu den guten, gelungenen Musiker_innenautobiographien. Es ist ein Buch, das seine Berechtigung nicht ausschließlich aus dem fame des Namens auf dem Cover zieht. Tracey Thorn hat einen wundervollen Humor und einen feinen literarischen Stil; nicht diese anbiedernde, kumpelige, ‚mündliche‘ Sprache, diesen langweilig-nervigen Plauderton vieler anderer Autobiographien.
Popkulturell ist es außerordentlich spannend, weil es (neben klugen feministischen Positionen und Reflektionen) eine Wegscheide markiert. Thorn beschreibt den Weg – ihren Weg und den Weg von Everything But The Girl – aus dem (Post-)Punk in den (Mainstream-)Pop. Sie reflektiert über die Schwierigkeit, einen Sound und Stil mit Popappeal zu entwerfen und das in Einklang mit einer Indiehaltung und -herkunft (Thorn gehörte davor zu den legendären Marine Girls) zu verbinden. Mit den chartstürmenden Erfolgen von Everything But The Girl fand sich Thorn in einer merkwürdigen Situation: Alle Weggefährt_innen der alten Postpunk/DIY-Zeit waren irritiert über den neuen Sound und Erfolg, wussten aber weiter die dahinter stehende Haltung zu schätzen; die erfolgreichen Chartacts, denen man nun immer wieder begegnete, liebten und schätzten die Musik von Everything But The Girl, konnten aber mit dem Indiekontext der Band nichts anfangen. Thorns Schilderungen und Reflektionen zu diesem Thema sind popgeschichtlich aufschlussreich und ein Lektüre- und Erkenntnisgewinn für alle, die wissen möchten, was mit Postpunk passiert ist.
Das Buch bietet noch viel mehr, meine neue Politik lautet aber: kürzere Beiträge, dafür häufiger bloggen. Für alles weitere: Bedsit Disco Queen lesen …