In Flanders Fields. Wonder Woman vs. General Ludendorff

Während ihr erster Auftritt im Comic (1941) die Heldin in den Zweiten Weltkrieg führte, betritt Wonder Woman in ihrem ersten großen Kinofilm die Welt der gewöhnlichen Menschen während des Ersten Weltkriegs. Was soll diese Verlagerung des Schauplatzes nun bedeuten – from a historian’s point of view?

Erstens unterstreicht der neue Schauplatz, dass es sich bei der Amazonenprinzessin um einen eigenständigen Charakter handelt. Hellboy, Captain America und Co. haben den Zweiten Weltkrieg und alle damit verbundenen Storylines in den letzten Jahren derart intensiv beackert, dass hier inzwischen wohl wenig Spielraum für eine originelle Geschichte bestehen dürfte, die Wonder Woman nicht als bloßen Neuaufguss ihrer Kollegen erscheinen ließe. Superheldinnen haben ein Recht auf ihren eigenen Krieg.

Zweitens bietet der Erste Weltkrieg Bilder, die der Zweite Weltkrieg nicht bieten könnte, jedenfalls wären das dann nicht die Bilder, die im kollektiven Gedächtnis für diesen Krieg stehen. Vor dem Hintergrund eines Stellungskriegs lässt sich Wonder Woman bildlich einfach viel besser als dynamische und dynamisierende Kraft inszenieren. Etwa in jener Schlüsselszene, in der sie auf den Schlachfeldern Flanderns den zur Tarnung über ihrem Amazonenkostüm getragenen Wollmantel abwirft und das tut, was den Soldaten um sie herum als schlichte Unmöglichkeit erscheint: auf die Leiter steigen, den Schützengraben verlassen und das Niemandsland überwinden. Paradigmatischere Bilder als in dieser Szene dürften sich kaum finden lassen, um auch dem letzten Zweifler zu zeigen, dass Wonder Woman die Welt in Bewegung versetzt – dass sie tut, was andere noch nicht einmal mehr für denkbar halten.

Drittens ändert sich mit der Verschiebung vom Zweiten in den Ersten Weltkrieg die grundsätzliche Jobbeschreibung US-amerikanischer Comic-Held_innen nicht wirklich. Das Böse aus den Deutschen herausprügeln kann man in beiden Weltkriegen, denn böse waren sie ja nicht erst, als sie damit anfingen, Naziuniformen zu tragen – siehe General Ludendorff, der zusammen mit der bösen Chemikerin Dr. Maru perfide Giftgasexperimente durchführt und aus guten Gründen eines Pakts mit dem dämonischen Bösen verdächtigt wird.

Viertens sind trotz des bösen Ludendorffs die Rollen im Ersten Weltkrieg weniger eindeutig  verteilt. Zumindest gibt es etwas Spielraum für eine Erzählperspektive, die mit den Gemeinsamkeiten aller Kriegsparteien spielt: Auf beiden Seiten gibt es Menschen, die für kriegstreiberische Einflüsterungen empfänglich sind; die wollen, dass der Krieg immer und immer weiter geht – und sei es nur, weil der Krieg ab einem bestimmten Zeitpunkt vertraut ist, während Frieden zum unentdeckten Land wird, das zu betreten man fürchtet. Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg käme eine solche Perspektive nicht unmittelbar in den Sinn.

Fünftens könnte man in der verfilmten Geschichte von Wonder Woman eine mögliche Deutung des Ersten Weltkriegs sehen, die aktuellen geschichtswissenschaftlichen Deutungsmustern gar nicht so unähnlich ist. Wo in Christopher Clarks Bestseller den Akteuren auf allen Kriegsseiten ein schlafwandelndes Taumeln in und durch den Krieg bescheinigt wurde (im Grunde also niemand so richtig schuld ist und es eigentlich keiner so gemeint hat), ist es im Film der zurückgekehrte Kriegsgott Ares, der allen Beteiligten Ideen einflüstert, freilich aber auch darauf besteht, dass er niemanden zwinge, Krieg zu führen. In beiden Fällen treten politische und ökonomische Interessen, die die verschiedenen Länder in ganz unterschiedlicher Weise in den Krieg führten, in den Hintergrund. Aus Kriegsparteien werden Schlafwandler, denen vielleicht der Kriegsgott ihre Träume einflüstert – bis Wonder Woman sie wachrüttelt.

Jenseits geschichtswissenschaftlicher Thesen ist Wonder Woman übrigens ein guter Film.

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